„Nvidia ist zu stark“: Intel stellt sich der Realität im Kampf um die KI-Führung

„Nvidia ist zu stark“: Intel stellt sich der Realität im Kampf um die KI-Führung

22 Oktober 2025 Aus Von Friedrich Braun

Intel, einst ein unangefochtener Titan der Technologiebranche, sieht sich im Rennen um die Vorherrschaft bei Chips für Künstliche Intelligenz (KI) mit einer harten Realität konfrontiert. In einer internen Mitteilung an die weltweite Belegschaft im vergangenen Juli fand CEO Lip-Bu Tan deutliche Worte: „Ich glaube, es ist zu spät für uns. Nvidias Position ist einfach zu dominant.“

Tan, ein Veteran der Halbleiterindustrie, räumte damit offen ein, dass Intel im wichtigsten Technologiesektor der Gegenwart – den KI-Chips – den Anschluss verloren hat. „Vor 20 oder 30 Jahren waren wir die Führenden, aber die Welt hat sich verändert. Heute gehören wir nicht einmal mehr zu den Top 10 Halbleiterunternehmen“, so Tan. Es war ein seltenes Eingeständnis des Chefs eines Unternehmens, das lange als Symbol amerikanischer Vormachtstellung galt.

Die Fehler des einstigen Marktführers

Von den späten 1990er bis Mitte der 2010er Jahre war Intel praktisch ein Synonym für das „Gehirn des Computers“. Prozessoren wie Pentium, Core i3, i5 und i7 prägten eine Ära und trieben Milliarden von Geräten weltweit an. Das „Intel Inside“-Logo war fester Bestandteil der Technikkultur. Das Unternehmen kontrollierte über 80 % des CPU-Marktes, was stabile Gewinne und enormen Brancheneinfluss sicherte.

Doch der langanhaltende Erfolg machte das Unternehmen schwerfällig und konservativ. Als das Zeitalter des Cloud Computing und der KI anbrach, hielt Intel an seiner „CPU-zentrierten“ Philosophie fest. Man verschlief den fundamentalen Wandel hin zu GPUs (Grafikprozessoren), die für die massive Parallelverarbeitung, die modernes KI-Training erfordert, unerlässlich sind.

Ein entscheidender strategischer Fehler ereignete sich 2018: Intel lehnte eine Investition in das damals noch junge Unternehmen OpenAI ab. Die Begründung war, dass die Technologie „in naher Zukunft nicht profitabel“ sei. Während Intel zögerte, positionierte sich der Konkurrent Nvidia aggressiv als unverzichtbarer Partner für Forschungszentren und Tech-Giganten und lieferte die Hardware für das Training von KI-Modellen.

Nvidias unaufhaltsamer Aufstieg

Mit der Veröffentlichung von ChatGPT im Jahr 2023 explodierte die Nachfrage nach GPUs. Wie Yahoo Finance feststellte, ist heute praktisch jedes Unternehmen, das sich ernsthaft mit KI beschäftigt, ein Kunde von Nvidia. Der Konzern dominiert den globalen Markt für KI-GPUs mit einem Anteil von über 80 %, während Intel Schwierigkeiten hat, sein eigenes, noch junges GPU-Geschäft zu etablieren.

Nvidias CEO Jensen Huang hatte das Potenzial von GPUs früh erkannt. Das Unternehmen entwickelte sich von einem Spezialisten für Grafikchips zu einem umfassenden Anbieter für Netzwerkhardware, High-Performance-Computing und KI-Beschleuniger. Die CUDA-Softwareplattform von Nvidia wurde zum De-facto-Industriestandard.

Die Marktzahlen spiegeln diese dramatische Verschiebung wider. Laut der Los Angeles Times fiel die Intel-Aktie in den letzten fünf Jahren um über 58 %, während die Aktie von Nvidia um über 1.000 % zulegte. Prognosen zufolge könnte Nvidias Marktkapitalisierung bis 2025 die Marke von 4 Billionen US-Dollar überschreiten; Intel wird auf knapp über 170 Milliarden US-Dollar geschätzt. Analysten bezeichnen Nvidia bereits als das „Microsoft der KI-Ära“.

Nvidias Flaggschiff-Chip H100, der Zehntausende von Dollar pro Stück kostet, ist weltweit heiss begehrt und bildet das Rückgrat für die meisten grossen Sprachmodelle, von ChatGPT über Gemini bis hin zu Claude. Für das Geschäftsjahr 2024 wird bei Nvidia ein Umsatzwachstum von 126 % auf 60,9 Milliarden US-Dollar erwartet, während bei Intel ein Umsatzrückgang von 2 % prognostiziert wird.

Intels mühsamer Weg der Neuausrichtung

CEO Lip-Bu Tan beschönigt die Lage nicht und spricht von einem „harten Weg des Wiederaufbaus“. Der Konzern befindet sich in einer tiefgreifenden Restrukturierung: Zehntausende Stellen werden gestrichen, die Automobilsparte wird geschlossen und Marketing-Aktivitäten werden ausgelagert, um die Herstellungsprozesse zu straffen. „Wir müssen bescheidener sein und unseren Kunden zuhören“, betonte Tan und kritisierte, dass eine interne Bürokratie die Entscheidungsfindung verlangsamt habe.

Parallel zu den Sparmassnahmen sucht Intel nach neuen Wachstumsfeldern. Das Projekt „Intel Foundry“ zielt darauf ab, externe Kunden für die Auftragsfertigung zu gewinnen. Hoffnungsträger ist die kommende 18A-Fertigungslinie, die als Konkurrenz zu TSMC positioniert wird. Auch das für 2026 geplante Produkt „Panther Lake“ wird als Chance gesehen, technologisch wieder aufzuschliessen.

Strategisch setzt Tan auf „Edge AI“ – KI, die direkt auf Endgeräten statt in Rechenzentren ausgeführt wird – sowie auf „Agent AI“, bei der autonome Systeme die Abhängigkeit von menschlichen Eingriffen reduzieren sollen. „Das ist die Richtung, in die wir gehen müssen“, so der CEO.

Investition in zukünftige KI-Kompetenz

Ein Teil der Neuausrichtung ist die Investition in Fachkräfte. In Südkorea startet Intel in Zusammenarbeit mit dem nationalen Arbeitsministerium und der Korean Standards Association (KSA) eine spezialisierte Ausbildungsoffensive für KI-Talente in Seoul und Suwon.

Das Programm, das auf den „Intel® Digital Readiness Programs“ (AI for Future Workforce) basiert, zielt darauf ab, „AI Solution Integrators“ auszubilden – Fachleute, die KI-Lösungen in reale Geschäftssysteme integrieren können. Das Angebot richtet sich explizit auch an Quereinsteiger, Nicht-Informatiker und angehende Gründer. Die sechsmonatige Vollzeitschulung ist für die Teilnehmer kostenlos und umfasst projektbasiertes Lernen, eine GPT-gestützte Übungsumgebung und die Erstellung eines beruflichen Portfolios.

Fazit

Die Geschichte von Intel und Nvidia zeigt die Ironie der Technologiebranche: Erfolg in der Vergangenheit ist keine Garantie für die Zukunft. Intel, das Unternehmen, das die Ära des Personal Computers definierte, muss nun mühsam neu lernen, wie man sich im Zeitalter der Künstlichen Intelligenz behauptet.